Der karierte Koffer

Um die Ecke – Nachbarschaftsökologie III

Donnerstag, den 10. Juli 2025

höre Donnerstag den 10. – 15:03 – Walter-Möller-Park/Grünzug Neu-Altona/Stadtteil Altona-Altstadt/Bezirk Altona/Freie Stadt Hamburg

“Das ist kein Bild“, sagt der Drittklässler. Und ich habe in sieben Jahren mit Altonas Kindern im Grünzug gelernt, nicht soviel zu fragen. Höre zu und mache mir ein Bild. So etwas auf braunem Papier ist kein Bild, weil es nicht auf einem Bildschirm erscheint? Weil die Jungs seltsame Stiefel tragen? Wie auch immer, sie hocken in ihrem Hainbuchen-Holunder-etc.-Gehölz, um das sich die benachbarte Louise-Schröder-Schule kümmert, das die Schüler*innen Zauberwald nennen. Warum? Das müsst ihr sie fragen. Wir sind donnerstags dort und gucken uns um, erzählen Geschichten von Kindern, die in den Wald gehen. Und dann unterscheiden sie sich kaum noch von denen im alten Buch. Sie gehen durch den grasgrünen Wald, hören die Vöglein singen und freuen sich. Damit haben wir alle unser Ziel erreicht, mehr wollen wir nicht an diesen Draußen-Donnerstagen, aber auch nicht weniger. Freude soll es machen. Und das tut es – ohne Apps und Displays.

Habe soviel gehört in den vergangenen Jahren als begleitende Biologin, dass mir nun die Naturerfahrung meiner jüngeren Nachbar*innen sehr am Herzen liegt. Es geht mir dabei weder um Lernen, noch um Leistung. Jede*r kommt mit, es braucht keine körperliche Fitness, keine Arten- oder Sprachkenntnisse, und es sieht bis auf die Bekleidung in etwa so aus wie auf dem Bild oben. Mein unermüdlicher und auch für mich sehr erfreulicher Einsatz im Grünzug Altona als Hüterin des freien Seins und möglichst naturnaher Räume, die wir zusammen mit den Schüler*innen fachkundig ökologisch aufwerten, mit großen Erfolgen, hat mir auch gezeigt, dass den Stadtkindern von Jahr zu Jahr mehr fehlt, denn:

Da landen wir bei einem weiteren Herzensthema der bunt gemischten Crew von Natur(T)räume von/mit/für Kinder/n: „dass man sich gegenseitig hilft“. Mit unserer Initiative – manchmal wagen wir den großen Wurf, hoffen auf ganz viele Mitgestalter*innen und sprechen vom „Grünzug gemeinsam bereichern“ – das würde dann vom Fischmarkt bis zur Holstenstraße reichen, als ökologisch-soziale Bezirksangelegenheitmöchten wir nämlich zum friedvollen Miteinander von Pflanzen, Tieren und Altonaer*innen beitragen, damit wir uns helfen und aufeinander Rücksicht nehmen. Den Wildtieren zu helfen vor Ort, das ist den Kindern das wichtigste Anliegen.

Auch für uns Erwachsene sind die Naturräume in der Großstadt ein Quell von Freude, Ausgelassenheit und Erholung. Unten seht ihr Joanna Potter, Heilerziehungspflegerin und Wildnispädagogin aus unserem Natur(T)räume-Team bei den monatlichen „After Work Games“ im Hamburger Volkspark. Wir können alle nur gewinnen:)

Angefangen hat es schon vor mehr als sieben Jahren. Damals habe ich in einem Gemeinschaftsgarten am Rande des Grünzuges Altona und im Walter-Möller-Park dabei mitgewirkt, die soziale und ökologische Vielfalt zu pflegen, mit Kindern zum Beispiel Äpfel von einem „Allmende-Baum“ geerntet, der leider der Park-Umgestaltung zum Opfer fiel.

Dass Äpfel auf Bäumen wachsen, ist vielen Kindern in Hamburg-Altona und -St.Pauli relativ unbekannt. Wir sammelten die sehr leckeren Früchte dieses schönen alten Baumes, der vielleicht sogar den Krieg überlebt hatte, schnibbelten sie und kochten Apfelmus für alle. Solche Pflanzen – wir fantasieren heftig über Streuobst im öffentlichen Raum unseres Viertels – verbinden Generationen, entlocken Großmüttern uralte Rezepte, verbinden die Jüngsten mit der Natur ihrer Stadt.

Tatsächlich war es – und ich betone fürs hyperdiverse Volk von Altona hier mal kurz, dass ich zwar auf die überlieferten Konzepte von Jesus Christus stehe, aber nicht bibelfest bin, und nicht monotheistisch, eher weltenumarmend naturreligiös! -, wie es in der Bibel steht. Die Kinder kamen zu mir, einer gar mit einer Harke im Rucksack und wollten etwas, das ich dann, um Fördergelder einzuwerben, in Erwachsenenworte packte, das die Kinder, die „jungen Pioniere“ Tille & Co mit ihren/m Icons/Corporate Design/Logo versahen. Ziel der Malerei: lasset die Kinder in den Grünzug kommen!

Wir legten also los. Die Sache mit dem Bauen ist leider in unserem Grünzug nahezu unmöglich, zudem der von allen heißgeliebte Baui Hexenberg einer Baumaßnahme gewichen ist. Manchmal errichten die Kids, aus diesem tief sitzenden Bedürfnis, ihre Umgebung mitzugestalten, dennoch temporäre Bauwerke:

Im Hintergrund seht ihr ein wenig Zauberwald, so nennen die Kinder das Gehölz im Walter-Möller-Park (Grünzug Hamburg-Altona) für das die benachbarte Louise-Schröder-Schule die Pflegschaft übernommen hat. Es heißt nach ihren Angaben, dass sie dort oft Dinge sehen, die nicht da sind. Daher der Name. Daher unser „Programm“: Grünzug verzaubern – sozial und ökologisch bereichern.

Aber übers Beobachten geht es sehr weit hinaus, was die Fünf- bis Fünfzehnjährigen im Stadtgrün veranstalten. Habe dort vor mehr als zehn Jahren Johannisbeersträucher aus dem Garten meines Vaters gesetzt. Und die Verkostung hat ergeben, dass die besonders herben – und irre inhaltsreichen – schwarzen Johannisbeeren, die fast alle Mitmacher*innen der AG Spatz und Igel das erste Mal sahen, ihr Superhit wurden. Wer hätte das gedacht? Und: sie bereiteten mir einen enormen Salat, bestreut mit Ribes nigra. Nicht nur deshalb wurde das ziemlich bald meine Lieblings-Arbeitsgruppe. Und ich lasse bis heute alle Erwachsenen stehen für die Kids von Altona:)

Probieren geht über studieren: Ribes nigrum, die schwarzen Johannisbeeren, vom Strauch in den Mund, waren der Hit der Kinder von „Spatz und Igel“.

Na logo drehen sie alle durch, wenn ein Erwachsener mit einem riesigen Plastikbecher voll tiefgefrorenem Zuckerwasser vorbeikommt, aber ich kann euch versichern, dass der Holunderblütentee gewonnen hat. Und das Märchen vom Fliedermütterchen – dafür gibt es Zeugen! – alle neueren Stories vom Tisch fegt. „Hallo Holla“ heißt unser künstlerisches Dokumentationsprojekt und ich gebe davon schon mal ein paar Kostproben:

Ich helf euch mal beim Lesen – die Kinder wählen aus dem, was wir über die Pflanzen- und Tierwelt im Park herausfinden, das aus, was ihnen wichtig ist, hier: dass man aus Holunderblüten Tee kochen kann (die Kanne unten gibt es wirklich, sie reicht für 13 Kinder und gehört zum Zauberwaldschatz; die Inspiration für den Busch der aus der Tülle wächst, stammt aus meinem Märchenbuch von 1955, die Zeichnung darin ist von Alfred Seidel, siehe unten); dass es zehn Holunderbüsche waren, die wir im Zauberwald gezählt haben; dass wir die Bäume und Sträucher unterstützen sollen (bitte merken!)

Nun bin ich doch glatt sehr weit abgeschweift….:) Wie also ging es weiter? „Die Louise“, die Louise-Schröder-Schule in Altona-Altstadt (https://louise-schroeder-schule.hamburg.de), in der Thedestraße 100 (siehe unten) hat nicht nur Schüler*innen, die mit allen Elbwassern gewaschen sind, die Lehrer*innen dort sind auch nicht ohne, sie verbreiten ein Betriebsklima, wie ich als vagabundierende Freischaffende selten erlebt habe und sind bei aller Verantwortung und Verbindlichkeit sozuschreiben mega aufgeschlossen, mutig und fantasievoll, bereit zum Zaubern. Das zeigte sich damals vor rund sieben Jahren, als Lena, Matthias und Sophia aus dem Kollegium mit zwei „Turbo-Biolog*innen“ durch den Grünzug streiften, unseren weitreichenden und hochfliegenden Ideen zur ökologischen Aufwertung lauschten – und zu unserer Verwunderung, zustimmten. So also machten wir uns an das Beantragen einer Pflegschaftsfläche, mit der sich etwas anfangen lässt. Auf dem Plan unten könnt ihr den Zauberwald nahe der Schule, neben dem Spielplatz verorten. Wir sind dort mittlerweile mit mindestens zwölf Schüler*innen aller Klassenstufen in der Schulzeit jeden Donnerstag von kurz nach zwei bis halb drei.

Und das wachsende Team der Initiative „Natur(T)räume von/mit/für Kinder/n – Grünzug gemeinsam bereichern“ bastelt gerade an einem außerschulischen Angebot.

Am Donnerstag, den 17. Juli sind Kinder zwischen fünf und fünfzehn eingeladen, von 16 – 18 Uhr den Zauberwald malend zu erkunden. Sie können sich in dieser Zeit auf der Wiese neben dem Spielplatz einfinden. Von der Schule aus geht es am Parkcafé vorbei und dann nach rechts, am Weg befindet sich der „Zauberwald“, daneben die Wiese, ungefähr beim a des Wortes Walter-Möller-Park.

Am Donnerstag, den 31. Juli feiern wir ein Fest am Zauberwald mit sehr vielen Überraschungen, eingeladen sind alle Altersgruppen, alle Nachbar*innen usw. von 16 – 20 Uhr

Heute, am Freitag, den 11. Juli 2025,  von 15.00 bis 18.00 Uhr, lädt „die Louise“ zum Schulfest ein, auf dem Schulhof. Es wird um 15.00 Uhr feierlich von der Hamburger Schulsenatorin und einem bunten Kulturprogramm eröffnet. Zum ersten Mal wird das „Louise Lied“ zu hören sein. Ich hatte gestern schon eine Kostprobe, super!

Der Chor der Louise-Schröder-Schule bei der Generalprobe.

Am Donnerstag habe ich genau zugehört, als Schüler*innen der Louise-Schröder-Schule erzählten, was der Zauberwald und die „Feenwiese“ davor für sie bedeutet: „Es gibt hier viele verschiedene Blumen. Es gibt hier viele verschiedene Bäume. Es gibt hier viele verschiedene Insekten“; „Man kann auf Bäume klettern, da ist ein richtig guter Kletterbaum“; „Ich kann hier im Wald meine Ruhe haben“; „Wir können darin Sachen sehen, die nicht existieren“.

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