2.Januar 2024
stapfen am Dienstag, den 2. – 12:12 – Norwegen/Provinz Nordland/Lofoten/Insel Vestvågøy/Stamsund
etwa fünf Stunden vorher sitze ich nördlich des Polarkreises sehr warm und sehr trocken in einem Riesenwohnzimmer in einem Riesensessel. Und nehme mir Zeit für diese Bibliothek = Wohnzimmer = Salon = Lobby = Gemeinschaftsraum von Angelas White House. Und weiß, dass wir hier richtig sind:) – Auch bei Kenneth, Angelas Mann. Der durch und durch norwegische Stammbaum seiner Familie mütterlicherseits, der dieses in den 1930ern erbaute Holzhaus gehört, hängt an der Wand und verweist auf ein Paar, das 1900 in der Kirche von Træna getraut wurde. Von dieser Insel hängt auch ein Bild an der Wand. Es zieht mich magisch an.

So sah der norwegische Maler Kaare Espolin Johnson, dem ich demnächst in unserem vielfältigen „Lofoten-Theater“ näher begegnen sollte – davon später – Træna. Die drei Gipfel sind namensgebend für ein Reich von 1000 Inseln, dessen ursprünglicher Name wahrscheinlich aufs altnordische Wort für die Zahl drei zurückgeht: Þriðna. Dieses Inselreich liegt in derselben Provinz – nämlich Nordland – wie unser erster Standort – nämlich Stamsund – ziemlich genau am Polarkreis, in einem der reichsten Fischgründe des europäischen Nordmeeres, in einem Reich von tausend kleinen Inseln.
Wundervoll finde ich auch, dass sich dort, mehr als dreißig nautische Meilen (mehr als sechzig Kilometer) entfernt von der norwegischen Küste, in der Höhle Kirkhelleren auf Sanna, einer der nur vier bewohnten Inseln der heutigen Kommune Træna, vor 9000 Jahren Pionier*innen einfanden. Sie lebten vom Fisch und hatten etwas übrig. So wurde durch regen Export aus den absolut entlegenen Inseln schon knapp jenseits der Steinzeit – als noch keine/r von Nationen zu reden begonnen hatte – ein „internationaler“ Ort.

Die heutige Flagge der Region Træna weit draußen vor Norwegens Küste geht auf die knöchernen Angelhaken ihrer steinzeitlichen Bewohner zurück.
Diese völkerverbindenden Fäden nahm vielleicht träumerisch die 1969 in Tromsø geborene Schauspielerin und Sängerin Anneli Marian Decker auf, bei ihrem Auftritt in der Höhle Kirkhelleren im „Reich“ Træna.

Die norwegische Schauspielerin, Sängerin und Frontfrau Anneli Marian Decker mit ihrer dream pop band Bel Canto in der Höhle Kirkhelleren im entlegenen und doch internationalen Inselreich Træna, Foto: Finn Rindahl
Kenneth´ Bibliothek entnehme ich einen Nachtrag zum Lofotenhumor, den ich am Vortage schon genießen durfte. Tore Skoglund schreibt, der sei mit Understatement aufgeladen. Das Leben in Hautnähe zu den Elementen habe seinen Effekt auf die Leute hier. Da es kaum Unterhaltungsmöglichkeiten gab, machte man und frau sich die Unterhaltung selbst. Inclusive Galgenhumor.
Die Sammlung des White House von Stamsund umfasst auch etwa hunderte von Platten, zum Beispiel The Wild, the Innocent & the E Street Shuffle von Bruce Springsteen. Es war das zweite Studio-Album des US-amerikanischen Rocksängers, dem ich seit Jahrzehnten huldige, er veröffentlichte es 1973, da war ich 19 Jahre alt und traf mich mit einer Gruppe von kiffenden Musikliebhaber*innen zum gemeinschaftlichen Schallplattenlauschen. Springsteens LP hatte wenig kommerziellen Erfolg, wurde aber von der Musikzeitschrift Rolling Stone 1987 zu den 100 besten Alben der vergangenen 20 Jahre und 2003 zu den 500 besten Alben aller Zeiten gezählt.

Über meinen Träumereien ist es ein wenig heller geworden, hinter den Bergen östlich von Stamsund. Am 7. Dezember ist hier die Sonne das letzte Mal richtig aufgegangen, damit begann die mørketid, die Dunkelzeit, in der sie ihre Bahn unterm Horizont zieht. In drei Tagen wird hier die Sonne wieder aufgehen, aber schon jetzt ist es nicht nur dunkel. Eine wirkliche mørketid gebe es hier gar nicht, sagt Kenneth.
Und feuert den eisernen Ofen an. Und stellt fest, per App, dass Sisilies Fischerboot heute nicht ausgelaufen ist. Die Stamsunder*innen haben das Ein- und Auslaufen ihrer Fischer*innen unter Kontrolle, und das ist gut so, finden alle. Marlene und ich möchten gerne Fischerin Sisilie treffen, am liebsten mit ihr aus Nordmeer hinaus fahren, zum winterlichen Fang. Das wird eine längere Geschichte, Fortsetzung folgt.
Kenneth erzählt mir bei der Morgenplauderei auch, an den ausgetretenen steinernen Treppenstufen zu dem Teil des Weißen Hauses, in dem wir wohnen, lasse sich erkennen, dass dieser sehr viel älter sei als die andere Seite. Der Altbau stammt aus dem 19. Jahrhundert, aber keiner weiß, woher. Manche Häuser wurden per Schiff gebracht und dann auf die steinernen Fundamente gesetzt. Dieses Gebäude wurde Telegrafenamt, dort haben früher dessen Mitarbeiterinnen auch gewohnt, von dort habe ein englischer Militär ein Telegramm an Hitler geschickt, wie Kenneth verrät. Vom Inhalt weiß ich nichts, aber ich weiß, dass dieser Krieg rundherum in Europa viel präsenter ist als in seinem Ursprungsland.

Dieses Bild zeigt Stamsund 1938, zwei Jahre vor der Besetzung durch die Deutschen. In jenem Jahr stellte das Storting, das norwegische Parlament, in einem Beschluss klar, dass Norwegen bereit sei, die volle und unbedingte Neutralität „in jedem Krieg zu wahren, den es nicht selbst in einer Völkerbundaktion gut heißt“.

Die Royal Navy und die Deutsche Kriegsmarine haben sich vor den Lofoten-Inseln eine Seeschlacht geliefert.

Unterm Kvinnfolk dieser nördlichen Inselreiche, unter den Frauen, und kurz nach dem oben genannten Krieg, spielt ja unsere Reiselektüre, die Tora-Trilogie. Und ich greife aus Kenneth´ Riesenregal ausgerechnet ein Buch über Fischerbäuerinnen und andere Frauensleute, locker übersetzt (Fiskarbonden og andre Kvinnfolk), erstellt vom Dokumentasjonssenteret for kystkvinnekultur, ebenfalls locker übersetzt: Küstenfrauenkultur, das auf Interviews mit mehr als 70 in den 1920ern geborenen Frauen beruht.

Die Redakteurinnen Liv Marie Austrem und Guri Ingebrigtsen fassen zusammen, was sie gehört haben von deren harten Leben, das bei Weitem nicht freudlos war. Es seien die Frauen gewesen, die in den 1950er-Jahren das Leben an Land in Gang hielten und steuerten, auf dem schmalen Uferstreifen am Nordmeer. „Nur an einem sparten sie nicht, das waren sie selbst“, heißt es in der Einleitung.

In „Feskarbonden og andre kvinnfolk“ von Liv Marie Austrem und Guri Ingebrigtsen erinnern sich die Frauen, zum Beispiel an eine Anzeige im Lofotposten: „Gummiartikler til salgs“: Einmal, als ihre Mutter mit der Zeitung saß, erzählt eine, sei Hans zu Besuch gekommen. Und die Mutter habe von den vielen Gummiartikeln (die abgebildete Annonce schwärmt von Präservativen namens GEISHA, DU, ROSE, VENUS, MIMOSA und DACAPO), gesprochen, die darin angepriesen würden. Er habe gesagt: „Ja, weißt du nicht, dass die Leute hier so viele Arbeitsgaloschen brauchen!?“

Ansonsten steht in diesem Band zu lesen, die Frauen wären nicht missbraucht worden, sondern ausgebeutet. Aber sie hätten sich zu wehren gewusst. Das erfahren wir auch aus der Tora-Trilogie.

Unser weißes Haus liegt am J. M. Johansens Vei, gegenüber dem roten Haus). still und friedlich an Stamsunds südlichstem Zipfel. Mittags, als die Sonne zum High Noon ein Stück aus dem Vestfjord vor der Tür klettert, der kein Fjord, sondern ein ziemlich wilder Meeresarm ist, wie wir später hören, machen wir uns auf den Weg, entdecken ein figurenteater und ein internasjonales teater, eine möbeltapesireri (Polsterei). Figurteater ist Puppentheater. figurteatret.no erzählt, dass Viele finden, Stamsund habe eine stille Friedlichkeit, die in großen urbanen Zentren nicht zu finden sei und die Kreativität bereichere.

Das STAMSUNDINTERNASJONALETEATER bringt auf die örtliche Bühne eher Schauspieler*innen, und Pflanzen.


Teater NOR leser Pär Lagerquist, so hieß diese Vorstellung, und auf der site teaternor.com steht, die Gewächse von Lofoten seien potent, sie würden sogar im November sprießen, wenn eine/r ihnen dafür Bühne und Lebensraum gebe. Gelesen wurde die Erzählung vom fordernden Gast (Den fordringsfulla gästen) des 1891 im schwedischen Småland geboren, jener historischen Provinz, die später durch Lasse, Bosse und Kumpel bekannt wurde, durch die Marlene und ich nicht lange vor unserem Stamsund-Spaziergang gefahren sind. Lagerquist widmete sich den Themen Gut & Böse, die Truppe vom Teater NOR erkundet, was wir von Erzählungen von vor 100 Jahren lernen können. Hervorgegangen ist es aus dem 1990 in Stamsund gegründeten Lofoten Teater, das ab 1998 das Stamsund Internasjonale Teaterfestival ausrichtete.
Im Sommer ist in Stamsund sicher was los, aber es entsteht dort nach Kenneth´Auskunft nie hektisches Gedränge. Der Ort ist weiterhin in den Händen der Einheimischen. Sind an den Stamsunds felsigen Hafenbecken vorbei zum Vandrarhjem gekommen, wo wir ursprünglich wohnen wollten, es hat aber gerade geschlossen. Marlene, die sich als ausgefuchste Kulturmanagerin um unsere Individualreisenden-Buchungen gekümmert hat, wurden für Stamsund dann nur noch teure „High-End-Appartments“ angezeigt. Das wunderbare weiße Haus von Angela und Kenneth hat sie bei Air B&B gefunden.
Hatten die ganze Zeit klaren Himmel in erstaunlichen Farben. Er leuchtete über den weißen Bergen im Norden in zartem Pink, angestrahlt aus dem Süden, von der Sonne, die hier erst seit Neujahr überhaupt wieder aufgeht.
Der Nebel vom Eismeer, das rote Licht. Das kommt am häufigsten vor, schreibt Fotograf Storeide, wenn die Sonne am Horizont ganz tief steht. Das gelbe Licht braucht einen etwas höheren Sonnenstand, das blaue komme vor, wenn die Sonne unterm Horizont stehe. „Zwischen der gelben und der roten Phase sehen wir orange Farben.“ Ansonsten sei Herbstwetter – im Gegensatz zu all den anders aussehenden Abbildungen – auf den Lofoten-Inseln der Normalzustand.

Habe den ORKANA-Verlag gefunden, am Nordende des J. M. Johansens Vei, das ist der Verlag, in dem auch das tolle Buch über Lofotens Frauenwelten erschienen ist (siehe oben).

Das ganz alte Stamsund bestand ausschließlich aus Holzgebäuden.
Und wo wir bei J.M. Johansen sind, dem Namensgeber der ewig langen Hauptstraße (vei), sind wir bei Stamsunds Geschichte. Auf der site figurteatret.no schreibt Jahn-Arill Skogholt, es sei einer der wichtigsten Fischerorte der Region und 1614 das erste Mal schriftlich erwähnt worden. Wie beim Puppentheater führt Skogholt die Hauptfigur ein, einen 22-jährigen Tagelöhner aus Namdalen, einer Region in Mittelnorwegen, im Norden der Provinz Trøndelag. Er hieß Carl Magnus Johansen und verdingte sich beim größten Hof Stamsunds – wo wie überall auf den Inseln von Lofoten die winterlichen Erträge der Fischerei mit sommerlicher Landwirtschaft ergänzt werden mussten -von fiskebonder (Fischerbäuer*innen) – Myklevik. Der liegt im nördlichen Teil des Ortes an der Myklevika, soweit sind wir bei unserem ersten Spaziergang nicht gekommen. Johansen ehelichte die Tochter des Hauses, die begann zu nähen, spinnen, stricken, weben und stellte per Hand her, was ein Landhandel an Kleidungsstücken für fischende Bäuer*innen vorrätig haben muss, vom groben Troyer als wärmende Arbeitskleidung bis zu sjøvotter, riesigen Handschuhe mit zwei Daumen von bis zu einem halben Meter Länge, die vorm oder beim Gebrauch auf See (sjø) gefilzt wurden, aus der Wolle von Urschafen namens Gammelnorsk sau, auch austevoldssau, utegangersau, steinaldersau, ursau oder villsau genannt.

Die Wolle dieser dieser alten Schafrasse (Gammelnorsk sau) ist besonders gut geeignet für sjøvotter (siehe unten), Av Thomas Bjørkan

sjøvotter, riesige Handschuhe mit zwei Daumen von bis zu einem halben Meter Länge, die vorm oder beim Gebrauch auf See (sjø) gefilzt wurden, Foto: Anne-Lise Reinsfelt, Norsk Folkemuseum
In der damals üblichen Aufgabenteilung besorgte der Ehemann die Fischereigerätschaften und dann standen beide manchmal von acht Uhr morgens bis Mitternacht im Laden.

Historisches Foto von einem landhandel, mir sagt vor allem das Angebot an rustikalen Küchengeräten zu.

Im ehemaligen Landhandel von Stamsund ist nun Vigdis Ludvigsen mit ihrer Polsterwerkstatt eingezogen, zu erkennen sind noch die Fliesen im Eingangsbereich für die Kunden mit ihren nassen Stiefeln, die Tür mit dem Fenster zum „Überwachen“ des Ein- und Ausgangs, die Tür zum Kontor des Chefs, Regale und das Reklameschild für Kaviar in der Tube. Letzteres stammt natürlich nicht aus den Anfangszeiten von Ida Marie und Carl Magnus Johansen, den Zeiten des Handgemachten, der handgestrickten Handschuhe, die damals überlebenswichtige Ausrüstung waren.

Während anderswo in der Region Lofoten mit einer neuen Regelung namens lofotloven die „ökonomische Leibeigenschaft“ der Fischer*innen die beim Fischerdorfbesitzer (Væreier) arbeiteten, einkauften und zur Miete wohnten und sich von einem „die Alten von der Schäre“ genannten Komitee befehlen lassen mussten, wann sie wo fischen durften, Mitte des 19. Jahrhunderts zu Ende ging, spitzte sich die Abhängigkeit in Stamsund zu. Während anderswo nach dem Motto „tritt hav, fritt fiske, offentlig oppsyn“, übersetzt: freies Meer, freie Fischerei, öffentliche Aufsicht, die Fischer dem Fisch folgten – und sich seit 1861 um die Lofoten- und Vesterålen-Inseln über riesige Schwärme von storsild (Clupea harengus, geschlechtsreif und groß (stor), der zum Abbleichen ab Januar in ihre Fischgründe kam), bauten die Johansens in Stamsund unerbittlich ihr Imperium aus. Der Hering war dort Zahlungsmittel, zu Geld brachten es die Fischer praktisch nie, sie wurden ihre fette Beute für den alltäglichen Bedarf bei Kaufmann Johansen los.

Die Heringe kommen, so heißt dieses Gemälde von Christian Krogh (1852–1925), Norsk Maritimt Museum

Heringsfischerei, 1920er-/1930er-Jahre, Nasjonalbiblioteket
Der älteste Sohn, Julius M. Johansen schwang sich nach Skogholts Worten vorm Ersten Weltkrieg zur einzig kontrollierenden Kraft auf, wurde daher Zar von Stamsund genannt und habe eher zu Iwan dem Schrecklichen als Peter dem Großen tendiert. Seine „Leibeigenen“ habe dieser Patriarch 44 Jahre lang vollständig „in der Tasche“ gehabt, als Arbeitgeber, Vermieter, Aufkäufer des Fanges, Händler, bei dem die zunehmend verarmenden Familien anschreiben lassen und mit Fisch bezahlen mussten, so dass viele von ihnen nie Geld in die Hand bekamen.

In den 1930er-Jahren errichteten die Johansens in Stamsund Guano-, Heringsöl- und Tranfabrik, auch sein Wohnhaus (Væreierboligen) zeugt von Reichtum (unten), Foto oben: Nordlandsmuseum; Foto unten: Jan Habberstad

In ihrer allumfassenden Abhängigkeit von dem Mann, dem der ganze Ort samt seinem Export gehörte, gelang es den Stamsunder*innen damals nicht, Gewerkschaften zu gründen. 1920 übernahm die nächste Generation, die Gebrüder Johansen bauten noch eine Tran- und Filetfabrik, Kühlhäuser und betrieben Heringsfang und Robbenjagd. Siebzig Jahre später kam es zum Konkurs. „Die Kultur kam in der Krise“, schreibt Skogholt. Es fing an mit der Kinderkunstschule, dann kamen die Theater und der 1993 gegründete Orkana-Verlag (orkana.no). „Nun blüht Stamsund im Duett von Fischerei und Kultur“, schreibt Skogholt, und die Fischerei sei der große Bruder und solle es bleiben.

Wir sehen unseren ersten Seeadler, Haliaeetus albicilla, By Littleisland lighthouse – Young white-tailed eagleUploaded by Snowmanradio

Hafen von Stamsund, Axel Revold, Nasjonalmuseet

Rorbuer in Stamsund, Unterkünfte direkt am Wasser, ursprünglich Saisonwohnungen für auswärtige Fischer, die zugleich mit den Wanderfischen, mit Hering, Kabeljau und Köhler, zunächst in offenen Booten, von Januar bis April zum lofotfiske aufkreuzten. In großer Zahl. So eine Hütte musste vor allem gut von der Seeseite zugänglich sein, die Ausrüstung sollte sich direkt vom Boot aus im oder unter dem Holzgebäude verstauen lassen. Ansonsten war es eng. Auf engstem Raum wurde gearbeitet, gekocht (manchmal serviert) und geschlafen.

Ursprüngliche Einrichtung eines rorbu, CC BY-SA 3.0
Rorbuer sind prinzipiell nah am Wasser gebaut. Ursprünglich nicht aus touristischen, sondern aus fischereilichen Gründen. Das Bild der schwedischen Malerin Anna Boberg (siehe unten) zeigt die Pfosten, die erforderlich sind, um überhaupt ein Wohn-, Werkstatt- oder Lagergebäude auf einer felsigen Küste zu platzieren:

Und der Arzt Harald Natvig hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts mit den katastrophalen hygienischen Verhältnissen in den Fischerhütten befasst und diese gezeichnet:

Rorbuer 1902, aus Harald Natvigs Artikel über die hygienischen Verhältnisse in einem fiskevær

Marlene macht Fotos (siehe unten und die nächsten Folgen, mein Geknipst ist nur „Doku“, halte einfach nur mein uraltes winziges Phone kurz drauf, die Finger werden rasant eiskalt). Wir ersteigen einen Hügel.


Stamsund: Blick bis zu den Tausendern am Festland, auf der anderen Seite des Vestfjordes, Marlene Stadie
Von unserem Aussichtspunkt, zu Fuß in Eis und Schnee ein knappes Dreiviertelstündchen nördlich des Weißen Hauses, sahen wir gegen ein Uhr die Sonne im Fjord versinken, während sich der Himmel dort orangegelb verfärbte.
Seeadler kreisen über uns. Haliaeetus albicilla wurde einst durch DDT fast ausgerottet – nochmal ein Hoch auf die Biochemiker*innen, Biolog*innen und Umweltschützer*innen, die sie in mühseliger Aufklärungsarbeit und mit weltweiten Aktionen davor bewahrten, die chemische und sonstige Industrie wollte damals aufs DDT so wenig verzichten, wie sie sich heutzutage nicht von Artenvernichtern wie … verabschieden möchte – seit Mitte der 1980er nimmt der Bestand wieder zu. Erkennbar sind die großen Vögel an ihrer Größe, ihre Spannweite beträgt fast zweieinhalb Meter, und an ihrem eckig wirkenden bulligen Körper. Sie strecken ihren kräftigen langen Hals vor:

Und weil er so großartig ist -und so großartig fotografiert! – Seeadler mit Fisch, Lofoten/Norwegen, Von Christoph Müller (http://www.christophmueller.org) – Eigenes Werk, CC BY 4.0
Haben im Supermarkt eingekauft und uns Fiskeboller (Fischklöße aus der Packung). Frischen Fisch gibt es exakt nur in Vestvågøyas Hauptort Leknes.
Im großen Gemeinschaftsraum/Salon/Wohnzimmer des White House lässt sich prima schreiben. Auf dem Fensterbrett ist ganz Eurasien vertreten von der russischen Matrioschka über den Clown bis zum chinesischen Schwertkämpfer. Und um Punkt 19:15 tutet die hurtigruten-Fähre – seit 1893 im Liniendienst – KURS NORD, Richtung Kirkenes.

Von dieser Trinität von Matrioschka, Clown und Schwertkämpfer auf Angelas Fensterbank gleich hinterm großen schweren braunen Schreibtisch bin ich jeden Tag wieder inspiriert, assoziiere: Mutter außen und im Innersten – herzliche Heiterkeit – gut gerüstet sein, auch wehrhaft.