Der karierte Koffer

Die naturfarbene E-Wölfin fährt zu den Lurchen und Kriechtieren

Sonntag, den 13. – Donnerstag, den 17. April 2025

komme runter Sonntag den 13. – 19:43 – Neuengamme/Bezirk Bergedorf/Freie Stadt Hamburg –

Nö, ordentlich is das nicht, aber für Angehörige der Ordnungen Froschlurche und Schuppenkriechtiere ist unser Graben voll in Ordnung, das geben sie durch Platschen (ab März), Rascheln (ab April) und Quaken (ab Mai) bekannt.

Unser Mitbewohner namens Rana esculenta (Teich- oder Wasserfrosch) gehört zu den Froschlurchen. Zu dieser zoologischen Ordnung gehören auch bei vielen weniger beliebte, eher plumpe und gedrungene Tiere mit eher trockener und warziger Haut und den eher kurzen Hinterbeinen, Kröten genannt. Wobei diese Unterscheidung manchmal verschwimmt und daher als zoologisch nicht korrekt gilt.

Im Entwässerungsgraben mit den Binsenbüscheln am Ufer, mit Schwertlilien und Krebsschere auf Seiten der Botanik, wohnt ein sogenannter Echter Frosch der Gattung Rana: relativ schlank und agil, mit eher glatter und feuchter Haut sowie kräftigen Hinterbeinen. Auf unserer Neuengammer Wiese hat Rana esculenta ein Laich- und Wohngewässer gefunden. Auf Deutsch heißt er Teichfrosch, und akzeptiert auch andere Stillgewässer als den Teich, wenn sie dauerhaft Wasser führen, wenn er am Uferrand sitzend, sich sonnen und nach Insekten Ausschau halten kann. Apropos Insekten: auch dafür ist bei uns gesorgt: die Wiesen an den Ufern sind sogenannte Fettwiesen, ihr Boden ist lehmig und eher nährstoffreich, aber nicht gedüngt oder gar überdüngt. Solche nicht intensiv genutzten und daher artenreicheren Ausprägungen der Fettwiesen haben in vielen Regionen, vor allem im Flachland, mittlerweile Seltenheitswert. Wir mähen erst im Juni und entdecken von Jahr zu Jahr mehr Vielfalt: niedrige, mittelhohe und hohe Gräser und verschiedene Blütenpflanzen. Je nach Standort auf der Wiese gedeihen Spitzwegerich – Spitzwegerich ist übrigens eine Raupenfutterpflanze für mehrere Schmetterlinge, auch solche, die auf der Roten Liste stehen -, Gundermann, Rotklee und anderes gebietsheimisches Wildkraut. Das Gezirpe im Sommer ersetzt den Mittelmeertripp, die Heuschrecken springen mich regelrecht an, Wildbienen, Spinnen und Schmetterlinge finden sich ein. Und die diversen Insekten sind Futter für unsere Froschlurche und Schuppenkriechtiere.

Jetzt im April springen immer, wenn ich am Graben entlang gehe, mehrere Teichfrösche mit weitem Satz laut platschend ins Wasser, um sich zu verbergen. Im Mai und insbesondere in meinem Geburtstagsmonat Juni – ist dann Fest bei den Fröschen im Graben: „Ball und Konzert und ein großes Diner“, haben wir als Kinder gesungen, als es noch aus vielen Gewässern quakte.

Nun zu den Schuppenkriechtieren. Vielleicht könnt ihr auf dem Bild oben ungeordnete Holzstapel und die der Nachmittagssonne zugewandte Rückwand unserer Komposttrenntoilette erkennen? Dort erwärmt sich an sonnigen Tagen mindestens ein Vertreter dieser Ordnung mit ihren mehr als 11.000 Arten.

Zur zoologischen Ordnung der Schuppenkriechtiere gehören Echsen und Schlangen, Otto Marseus van Schrieck

Das Männchen der Zauneidechse (Lacerta agilis) hat mich bei der ersten Sichtung mit seinem grellen Grün nahezu erschreckt, aber dann kam sofort die Freude! Wozu unsere Holzhaufen und der umliegende Wildwuchs gut sind, wird mir immer deutlicher. Mich musste eine/r noch nie zur Unordnung überreden, aber dass „gepflegtes“ Chaos so schöne Mitlesen anlockt …

Eine Tafel Bild aus „Schreibers Kleiner Atlas – Kriechtiere und Lurche – 12 feine Farbendrucktafeln mit 59 naturgetreuen Abbildungen“

Zur Paarungszeit, im Frühjahr, färben sich die Bauchseiten bei den männlichen Zauneidechsen grasgrün oder gelblich, während, wie Joachim Sartorius im wunderschönen Band Eidechsen schreibt, bei den Weibchen „dämmerige Grau- und Brauntöne“ vorherrschten. „Sie sind standorttreu“, erläutert Sartorius, „halten sich fast nur am Boden oder in Bodennähe auf … ernähren sich von Kleintieren wie Würmern, Nacktschnecken und Insekten. Ihr Lieblingsgericht sind Weißlinge.“ Und dazu füge ich noch ein Bild des holländischen Malers van Schrieck ein, sowie Sartorius Schwärmerei fürs „wachsamste Tier der Welt“, die ich unbedingt teile.

Eidechsen und ihre Lieblingsspeise, Otto Marseus van Schrieck

Mir kommt gerade die Erinnerung an einen Schulferiensommer im Salzburgischen, an einem Ort namens Hintermoos, wo ich mich, während die Eltern Siesta hielten, an einem Zaun niederließ und so lange wartete, bis ich eine Eidechse sah. Das konnte dauern. Und ich konnte stillhalten, so dass das kleine Tier und ich uns in die Augen gucken konnten. Für Sartorius ist die Eidechse unvermittelte Gegenwart, „sie wird für mich, in ihrem gebannten, angespannten Hiersein, das heftig klopfende Herz der Erde.“

Und als ich am Mittwoch vom Einsatz auf dem Acker meiner Solidarischen Landwirtschaft Vierlande auf dem Marschbahndamm ostwärts radle, an diesem nahezu heißen Apriltag, stoße ich wieder auf Reptilien. Der frühere Inhaber hat seine Bahnhofsgaststätte – der Marschbahndamm war ja die frühere Bahnlinie – am Sandbrack in Fünftausen Nachfolger*innen übergeben, sitzt dort auf der idyllischen Terrasse am Wasser und klärt das Ding mit der Anakonda auf. Diese größte aller Schlangen, sie wird sieben Meter lang, soll es lokalen Gerüchten zufolge, im Sandbrack geben, um das sich die Häuser von Fünfhausen reihen.

Die Große Anakonda (Eunectes murinus) bevorzugt eher das Amazonasgebiet

Das sei so etwas wie Anglerlatein, meint der Ex-Gastronom. Aber Ringelnattern habe man im Sandbrack erfolgreich ausgesetzt. Die Ringelnatter schwimmt schlängelnd – da fällt mir die erste aufregende Begegnung beim Segeln in einem polnischen Boddengewässer ein – und ist für uns Menschen völlig ungefährlich. Wir aber werden Natrix natrix immer gefährlicher. Die Schlange braucht Beutetiere wie Amphibien, Fische und Kleinsäuger, auch Eiablageplätze, Sonnplätze sowie Tages-und Überwinterungsverstecke. Jetzt im April verlassen die Tiere ihre Winterquartiere und paaren sich. Im Juni/Juli suchen sie Komposthaufen, Strohmieten, Binnenhafen, vermodernde Baumstämme als Eiablageplätze auf.

Dem von der Hamburger Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrar erstellten „Atlas der Amphibien und Reptilien Hamburgs – Artenbestand, Verbreitung, Gefährdung, Schutz“ entnehme ich, dass der Verlust und die Beeinträchtigung der Land- und Wasser-Lebensräume durch Land- und Forstwirtschaft, die Verminderung der Nahrungstiere sowie die Zerschneidung der Wasser- und Landlebensräume durch Straßentrassen die Hamburger Ringelnatter-Population in ihrem Bestand bedrohen.

Nochmal „Schreibers Kleiner Atlas – Kriechtiere und Lurche“: Ringelnatter mit Lieblingsspeise, nämlich Laubfrosch

Was können wir tun? Mahdgut- und Reisighaufen liegen lassen, in ausreichender Zahl; Gewässer erhalten, pflegen und neu anlegen. Die Ringelnattern leben vor allem von den sogenannten Braunfröschen, das sind in unseren Breiten Laub-, Gras- und Springfrosch, denen aber gehen durchs großräumige Entwässern allenthalben auch die Lebensräume aus.

Bei Braunfröschen (oben ein Grasfrosch) sind die Augen typischerweise nicht so sehr nach oben ausgerichtet wie bei den stärker aquatisch (im Wasser) lebenden Grün- oder Wasserfröschen (hier: Teichfrosch), Christian Fischer

Es war für mich auf eher wohlige als schauerliche, eher witzige als widerliche Art die vorösterliche Woche der Amphibien und Reptilien. Als Kurs- und Projektleiterin, biologische Begleiterin und Beraterin arbeite ich seit einigen Jahren mit den Kindern der Louise-Schröder-Schule in Altona. Die Grundschule bespielt und betreut ein Gehölz im benachbarten Walter-Möller-Park als Pflegschaftsfläche und donnerstags gehen wir mit jeweils einem Dutzend Schülerinnen aller Klassenstufen dorthin. In dieser Woche habe ich die Kinder dazu aufgefordert, Unordnung zu machen, ihnen erklärt, dass Tiere Unterschlupf brauchen und die Beutetiere, die sich unter Totholz und Laub vermehren.

Und sie haben sich voll Fantasie und Einsatz an das Errichten von Totholzhaufen gemacht, Unterkünfte und Verstecke geschaffen. Zum Nachmachen: Im Garten oder anderswo nicht benötigtes Material vom Baum- und Heckenschnitt, Totholz oder Steine einfach liegen lassen oder ein wenig aufhäufen, vielleicht mit etwas Laub bedecken, die Natur sich selbst überlassen. Es gibt keine Mindestgröße, auch die kleinste wilde Ecke kann sich entwickeln.

Habe den Kindern hinterher den oben genannten antiquarischen Atlas der Kriechtiere und Lurche gezeigt – Apps benutzen wir nie, die Schüler*innen und ich mögen solche „Farbendrucktafeln und naturgetreuen Abbildungen“ viel lieber – und gefragt, welches dieser Tiere sich denn bei uns verstecken könne. „Krokodil?“ Nun ja. Ich lache viel mit den Kids, aber nie, wenn es um ihre Naturferne geht, denn die haben ja wir älteren Generationen verursacht. „Amphibien und Reptilien gehörten für viele Menschen in der Kindheit zur Erlebniswelt. An ihnen entwickelten sich Verständnis und Faszination für Natur. In gleichem Maß, wie diese eindrucksvollen Tiere aus unserem Blick- und Erfahrungshorizont verschwinden, schreitet gegenwärtig die Entfremdung unserer Kinder von der Natur voran.“ So steht es in der Einleitung zum Hamburger Amphibien- und Reptilienatlas, und: „Eine positive Stadtentwicklung mit dem Ziel des Erhalts und der Steigerung der Lebensqualität für den Menschen ist gut mit den Naturschutzzielen des Amphibien- und Reptilienschutzes vereinbar“.

Andere Lurche und Kriechtiere kennen viele Kinder nicht. Das ändern wir gerade in Altona-Altstadt und St. Pauli

Das Schaffen beispielsweise durchgängiger Grünverbindungen, wie es uns auch im Grünzug Altona vorschwebt, sei mittlerweile auch in der Gesetzgebung verankert, unter dem Stichwort Biotopverbund. Wir bleiben dran – mit allen Generationen.

Als Nächstes planen wir auf dem Schulhof der Louise-Schröder-Schule eine Trockenmauer. Das ist ein Mauerwerk aus Bruch- beziehungsweise Natursteinen, das ohne Zuhilfenahme von Mörtel errichtet wurde. Trockenmauern sind wichtige Biotope für zahlreiche Pflanzenarten. Und sie bieten wertvollen Lebensraum für wärmeliebende Tiere, beispielsweise für Laufkäfer, Wildbienen, Erdkröten und – Eidechsen.



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